Wie bleibt man einen Schritt voraus?

Bei der juristischen Betreuung von Start-ups ist Wenger Vieli führend – seit bald 25 Jahren. Was steckt hinter dem Erfolg dieser Abteilung? Initiator Christian Wenger und der künftige Steuermann Michael Baier verraten das Rezept.

Christian Wenger (rechts) und Michael Baier (links):
Aus Faszination wurde ein Kerngeschäft.

Christian Wenger, was hat Sie 1996 dazu bewogen, auf Start-ups zu setzen? Auf Firmen also, die noch nicht viel mehr sind als eine Idee und die, wenn überhaupt, bloss über ein knappes Budget verfügten?
Christian Wenger: Wie so vieles geschah dies aus dem Zufall heraus. Ich war schon immer technologieaffin und fasziniert von intelligenten Leuten, die aufbrechen wollen zu neuen Ufern – da musste man mich nicht zweimal bitten. Also beriet ich Kollegen und Gründer. Das sprach sich herum, die Anfragen häuften sich, es machte mir Spass. Das Geschäft entwickelte sich erfreulich.

Wo stand die Schweiz damals punkto Start-ups?
Wenger: Kleine Start-ups wurden belächelt; die Schweiz war immer geprägt von grossen Unternehmen. Es gab vielleicht drei Venture-Capital-Firmen, die an solche neuen Ideen glaubten, alle noch auf einer Lernkurve. Die erste Internet-Bubble gab den Start-ups Auftrieb, da waren wir schon mittendrin.

Sie hätten diese Strategie wohl kaum weiterverfolgt, wären Sie nicht vom Erfolg befeuert worden: Wann und wie hat er sich eingestellt?
Wenger: Unternehmerisch gesehen, lohnte sich das Engagement von Anfang an – weil der Markt wuchs und wir mit ihm. Damals war jedes Puzzleteil noch sehr teuer. Eine Finanzierungsrunde bedeutete schnell einmal 200 000 Franken Rechtskosten. Diese Beträge sind dramatisch heruntergekommen, nicht zuletzt, weil wir das aktiv beeinflussten, indem wir die Prozesse vereinfachten. Heute kostet eine Finanzierungsrunde vielleicht noch ein Zehntel. So richtig zum Fliegen kam die Start-up-Szene vielleicht vor fünf, sechs Jahren.

Hatten Sie nie Angst, dass die Rechnung nicht aufgeht?
Wenger: Im Gegenteil, ich machte ja noch andere Dinge und war nicht auf den Erfolg der Start-ups angewiesen. Und wir wussten alle: Es liegt im Wesen eines Start-ups, dass es erst nach einer gewissen Zeit richtig spannend wird. Vielleicht haben wir uns am Anfang zu sehr auf die Investoren konzentriert, bevor wir merkten, dass die Firmenseite eigentlich interessanter ist – weil man mit diesen innovativen kleinen Unternehmen auf eine Reise geht, sie nah betreuen kann und bei einem Exit eine spannende Transaktion begleitet.

Trotzdem gab es bestimmt auch Rückschläge in so einem Genre ohne Erfahrungswerte?
Wenger: Ja, sicher, das gehört dazu. Dann regt man sich über Gründerteams auf, die nicht zuhören oder zu eigenwillig sind, und macht sich mit Vorfreude auf zum nächsten Projekt.

 

Ein Unternehmen muss von Anfang an juristisch richtig aufgestellt sein.“

Christian Wenger, Partner



Ein wichtiger Erfolgsfaktor von Wenger Vieli war, dass Sie nicht erst warteten, bis die Start-ups zu Ihnen kamen, sondern schon früh eingriffen und das Bedürfnis nach juristischer Beratung überhaupt schufen. Wie haben Sie das gemacht?
Wenger: Plus/minus waren wir bei allen Initiativen engagiert, die mit Start-ups zu tun hatten, sei es im ETH-nahen Umfeld oder auf der Finanzierungsseite.

Wir gründeten Investorenplattformen, sassen in allen wichtigen Verbänden. Und wir sagten allen dasselbe: Ein Unternehmen muss von Anfang an juristisch richtig aufgestellt sein, damit es später nicht von Ärger gelähmt und in seiner Entwicklung gehemmt wird. Heute ist das glücklicherweise jedem bewusst.

Michael Baier, Sie stiessen vor rund acht Jahren zum Start-up-Team. Was hat Ihnen damals besonders imponiert?
Michael Baier: Ich kam als Studienabgänger: Mir imponierte vor allem, dass man mich machen liess. Schon relativ rasch durfte ich selbstständig mit den Start-ups kommunizieren und hatte neben Chrigel Wenger und Beat Speck auch andere Partner zur Seite, die mich auf beste Art förderten. So kam ich sofort in den unternehmerischen Flow rein, der aus meiner Sicht für die effiziente Rechtsberatung von Start-ups unerlässlich ist.

Welche Fähigkeiten waren vor allem gefragt?
Baier: Man musste schnell reagieren und klare, verständliche Antworten geben können – auch auf rechtlich komplexe Fragestellungen. Und man musste sich mit neuen Ideen auseinandersetzen wollen und können, damit man spürt, was für die Start-ups wichtig ist. Gerade für einen jungen Studienabgänger war es enorm spannend, sich immer wieder mit neuen Unternehmen und Geschäftsmodellen zu beschäftigen, Strukturen aufzubauen und flexibel und schnell zu helfen. Das haben meine Vorgänger gut erkannt: Start-ups mögen es, wenn auf der juristischen Seite Menschen sitzen, die ähnlich «jung» und unvoreingenommen denken wie sie.

Rechtlich, aber auch finanziell spannend wird ein Start-up bei Finanzierungsrunden oder einem Joint-Venture. Wenger Vieli «überspringt» heute viele Schritte der Gründungsphase, indem man den Jungfirmen kostenlose automatisierte Tools zur Verfügung stellt.
Baier: Über unseren «Digital Lawyer» beispielsweise kann man Formulare generieren, die man für Personenmutationen von AGs und GmbHs im Handelsregister braucht. Man muss sie nur noch unterschreiben und einreichen. Wir sind auch mit einem Schweizer Fund-Tech-Unternehmen daran, ganze Finanzierungsrunden-Dokumentationen zu automatisieren. Wir wollen weiterhin auf diversen Ebenen digitale Lösungen entwickeln, die in der Schweizer Start-up-Szene akzeptiert und gebraucht werden. Damit helfen wir Start-ups in einer Phase, in der Geld knapp ist, und fokussieren unsere Beratung auf individuelle und komplexere Rechtsfragen und Vertragsverhandlungen, bei denen wir den Start-ups unseren ganzen Erfahrungsschatz mitgeben können.

 

Es funktioniert, weil wir Teil der Szene sind.“

Michael Baier, Senior Associate

 

Und das funktioniert? Wenger Vieli ist ja längst nicht mehr der einzige Player.
Baier: Es funktioniert, weil wir Teil der Szene sind und eine hervorragende Reputation geniessen. Man weiss, dass wir komplexe vertragliche und rechtliche Probleme effizient und vorausschauend angehen – und dass unsere Lösungsansätze innovativ sind. Das ist der grosse Bonus von 25 Jahren ehrlicher, guter Arbeit in diesem Bereich.

Kannibalisiert sich Wenger Vieli mit solchen Gratis-Tools nicht selbst?
Baier: Nein, spätestens bei grösseren Finanzierungsrunden kommen Herausforderungen auf die Unternehmen zu, für die es massgeschneiderte Lösungen braucht. Wir investieren vielleicht sechs Jahre in ein Start-up, verrechnen unsere Leistungen mit viel Goodwill, beweisen uns in dieser Zeit als Sparringpartner und sind bei einem Exit entsprechend aufgestellt.

Vor 25 Jahren waren es zwei, drei Deals im Jahr.  Heute sind es sechzig bis siebzig. Offenbar haben Sie vieles richtig gemacht. Trotzdem: Was würden Sie heute besser machen?
Christian Wenger: Wir steckten zu lange zu wenig Ressourcen in diesen Bereich, ich war allein und war mit vielen anderen Dingen beschäftigt. Beat Speck baute den Bereich dann richtig aus und holte gute junge Leute. Für den Erfolg zentral aber war unser authentisches Engagement: Die Materie hat uns immer selber ausgesprochen interessiert.

Wo wollen Sie sich in Zukunft noch verbessern? Wie bleibt Wenger Vieli der Konkurrenz einen Schritt voraus?
Baier: Wir werden im Hintergrund noch aktiver sein, etwa indem wir Plattformen mit Ausbildungsarbeit helfen und laufend weitere wichtige Partnerschaften eingehen. Aber auch im Vordergrund werden wir präsenter werden: Inzwischen wissen zwar die meisten, dass wir Start-up-Arbeit machen, trotzdem müssen wir uns dynamischer vermarkten. Neu haben wir deshalb auf der Website auch einen Bereich für den Start-up-Desk, dort findet man alle wichtigen Informationen.

Sie sind bei Wenger Vieli die dritte Generation, die Start-ups betreut. Wann wird es Zeit für die vierte?
Baier: Die ist bereits dran! Wir haben einige Anwältinnen und Anwälte frisch nach Erteilung des Anwaltspatents, die Spass haben an der Zusammenarbeit mit Jungunternehmen und bereit sind, die Extrameile zu gehen. Wir installieren sie schnell an der Front und werfen sie – natürlich kontrolliert – mit bestem Wissen und Gewissen ins kalte Wasser, wie man das mit mir gemacht hat. Weil wir an sie glauben.